Spätestens seit Theresa May auf dem Parteitag der konservativen Tories ihre Vorstellungen vom Ablauf des EU-Austritts Großbritannien vorgestellt hat, scheint klar, dass die britische Premierministerin zu einem harten Brexit steht. Der Zeitplan sieht vor, dass spätestens im März 2017 das formale Austrittsverfahren nach Artikel 50 des EU-Vertrages eingeleitet werden soll. Dem Ergebnis der zweijährigen Austrittsverhandlungen muss dann mit einer qualifizierten Mehrheit der verbleibenden 27 EU-Länder und vom Europäischen Parlament zugestimmt werden. Zwar wäre theoretisch auch eine Verlängerung der Verhandlungen möglich, diese müsste aber einstimmig beschlossen werden und ist daher eher unwahrscheinlich. Großbritannien würde also nach Mays Agenda 2019 aus der Europäischen Union austreten, bis dahin bleibt es EU-Mitglied.
Nach dem Brexit soll die sogenannte „Great Repeal Bill“, das „Große Aufhebungsgesetz“, den Vorrang von EU-Recht aufheben und bestehende EU-Gesetze in britisches Recht übertragen. Gleichzeitig würde Großbritannien damit nicht mehr der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) unterliegen.
Was bedeutet das für das Einheitliche Patentgericht (EPG)?
Die Ratifizierung des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht ist noch nicht abgeschlossen. Nachdem im September dieses Jahres die Niederlande als 11. Mitgliedsstaat ratifiziert haben, fehlen lediglich Deutschland und Großbritannien, die verpflichtend ratifizieren müssen, um die erforderliche Anzahl von 13 Mitgliedsstaaten zu erreichen und damit das Einheitliche Patentgericht an den Start zu bringen.
Es wird erwartet, dass das „Vorbereitende Komitee zur Einrichtung des Einheitlichen Patentgerichts“ im Oktober in einer abschließenden Sitzung das „Go“ für den Probebetrieb geben wird. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen, der Probelauf des neuen Gerichtssystems könnte, wie geplant, im Frühjahr nächsten Jahres beginnen, wenn der Ratifizierungsprozess bis Jahresende abgeschlossen werden kann.
Da Großbritannien noch vollwertiges EU-Mitglied ist, könnte es ratifizieren. Doch dieser Schritt ist nicht nur umstritten, er scheint politisch derzeit nicht durchsetzbar. Was würde außerdem 2019 passieren? Der EuGH hatte 2010 festgestellt, dass nur Unionsmitglieder am Abkommen über ein Einheitliches Patentgericht teilnehmen dürfen. Nach dem Brexit ist Großbritannien nicht mehr EU-Mitglied. Dass London zudem als einer der Standorte des Einheitlichen Patentgerichts vorgesehen ist, macht die Sache nicht einfacher.
Es müsste also beides neu verhandelt werden. Jede Sonderregelung für Großbritannien als Nicht-EU-Mitglied könnte aber auch Begehrlichkeiten bei anderen Nicht-EU-Mitgliedern wecken. Hinzu kommen noch die unterschiedlichen politischen Interessenslagen innerhalb der EU. Es stehen folglich komplexe Verhandlungen an.
Wie sieht die Situation in Deutschland aus?
Vor diesem Hintergrund ist auch in Deutschland die anstehende Ratifizierung des Übereinkommens nicht unumstritten. Im Mai verabschiedete die Bundesregierung den „Gesetzentwurf zum Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht“, Anfang Juli passierte er den Bundesrat, noch in diesem Jahr soll eigentlich ratifiziert werden. Doch die Gemengelage hat sich geändert. So rückte die Frage nach dem Zeitplan des Ratifizierungsprozesses dieser Tage wieder auf die Tagesordnung des Bundestages.
Zur Frage einer zeitnahen Ratifizierung des Übereinkommens warnt BDPA-Präsident Martin Tongbhoyai vor voreiligen Schritten:
„Eine Ratifizierung macht aus Sicht des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte keinen Sinn, so lange sich Großbritannien nicht dazu geäußert hat, wie es nach dem tatsächlichen Verlassen der EU weitergehen soll. Aus diesem Grund sollten wir abwarten, was Großbritannien dem Rest der EU in Zukunft mitteilen wird und bis dahin die Ratifizierung in Deutschland zurückstellen.“
Theresa Mays jetzt verkündeter „Great Repeal Act“ macht die Sache nicht leichter. Aus rechtlicher Sicht gibt es verschiedene Optionen, das Einheitliche Patentgericht trotz Brexit zu realisieren – mit und ohne Großbritannien. Nur muss auch geklärt werden, inwieweit sie politisch durchsetzbar sind. Die Einführung des Einheitlichen Patentgerichts und damit des Europäischen Patents mit einheitlicher Wirkung ist nach wie vor erklärtes Ziel aller teilnehmenden EU-Staaten. Nur der Weg dahin erscheint momentan kurvenreich und verfügt über viele Kreuzungen.