Stellungnahme

Stellungnahme zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat einen Diskussionsentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Vereinfachung und Modernisierung des Patentrechts vorgelegt. Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte nimmt hierzu wie folgt Stellung. Zu den Änderungen im Einzelnen:

Änderung des § 28 (1,2) PatG, § 29 GebrmG, § 65 (1) MarkenG, §18a DPMAV, §3 (3) HalblSchG, § 26 (1) DesignG

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte begrüßt und befürwortet ausdrücklich die angedachte Regelung hinsichtlich der zu berücksichtigenden Feiertage. Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte begrüßt und befürwortet darüber hinaus ausdrücklich die Möglichkeit, die Ermächtigung zum Erlass von Rechtsverordnungen nach Absatz 1 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates ganz oder teilweise auf das Deutsche Patent- und Markenamt zu übertragen. Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte geht davon aus, dass dies dem Deutschen Patent- und Markenamt die Möglichkeit eröffnen kann, kurzfristig sachgerechte Regelungen im Hinblick auf den Geschäftsgang des Deutschen Patent- und Markenamts sowie die Form des Verfahrens in Patentangelegenheiten zu treffen.

Änderung des § 30 (3) PatG

Auch begrüßt und befürwortet der Bundesverband Deutscher Patentanwälte die angedachte Regelung hinsichtlich der Vereinfachung des Wechsels von Beteiligten im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren.

Änderung der §§ 31 (3b), 32 (2) PatG, 33(3) DesignG und 8(7) MarkenG

Wir stimmen überein, dass vermieden werden muss, dass amtliche Publikationen des Deutschen Patent- und Markenamts für die Verbreitung von ordnungs- oder sittenwidrigen Inhalten instrumentalisiert werden.
Die vorgeschlagene Regelung erscheint nach Einschätzung des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte missverständlich. Es ist nämlich nicht eindeutig, inwieweit die Veröffentlichung unterbleibt: vollständig oder lediglich bezogen auf einzelne Inhalte.

Vollständiges Unterbleiben der Veröffentlichung

Nach der ersten Auslegung würde, selbst wenn die Patentanmeldung lediglich einen Teil umfasst, der diese Bedingungen erfüllt, die Veröffentlichung der Offenlegungsschrift unterlassen werden, auch wenn die Erfindung nicht auf einen gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßenden Gegenstand gerichtet ist. Gemäß § 32 (5) PatG würde in diesem Fall auch weiterhin ein Hinweis auf die Eintragung in das Register veröffentlicht werden. Jedoch ist für die Öffentlichkeit die Offenlegungsschrift oder die entsprechenden eingereichten Unterlagen nicht einsehbar, da auch hier gemäß der vorgeschlagenen Änderung des § 31 PatG die Einsicht ausgeschlossen wäre. Folglich ist es möglich, dass die Öffentlichkeit erst mehrere Jahre nach dem Anmeldetag, nämlich dann, wenn das Patent erteilt würde, über den genauen Erfindungsgegenstand informiert wird. Somit kann die Öffentlichkeit nicht beurteilen, auf welchen Gegenstand die Patentanmeldung gerichtet ist, weswegen eine Rechtsunsicherheit für die Öffentlichkeit besteht.
Falls ein Anmelder vorsätzlich derartigen Inhalt in eine Patentanmeldung aufnimmt, kann dieser erreichen, dass die Öffentlichkeit erst mit Abschluss des Prüfungsverfahrens über die Patentanmeldung informiert wird, also nach über sieben Jahren, wenn der Prüfungsantrag erst am letzten möglichen Tag gestellt wird.

Zusammenfassend wäre es somit möglich, dass, sofern der Prüfungsantrag erst spät gestellt wird, die Öffentlichkeit mehrere Jahre nicht (ausreichend) über die Patentanmeldung informiert wird. Der bezweckte Schutz der Öffentlichkeit vor ordnungs- oder sittenwidrigen Inhalten würde so zu einer gravierenden Gefahr für Mitbewerber, da diese keine Gelegenheit mehr hätten, im Rahmen einer Offenlegungsschrift von einem möglicherweise entstehenden Patent Kenntnis zu erhalten. Wird neben der Veröffentlichung der Offenlegungsschrift auch noch die Akteneinsicht ohne Ausnahmen ausgeschlossen, besteht für einen Mitbewerber bis zur Veröffentlichung der Patenterteilung keine Möglichkeit, einer Patentverletzung vorzubeugen.
Dies ist umso problematischer, als gemäß § 33 (1) PatG von einem nicht berechtigten Benutzer eine Entschädigung zu entrichten wäre. Dieser wäre sich bis zu einer Veröffentlichung der Patentschrift seiner eigenen Benutzungshandlung nicht bewusst und hätte deswegen auch keine Veranlassung, diese zu beenden. Bei der Auslegung, dass bei unterlassener Veröffentlichung der Offenlegungsschrift kein Anspruch auf Entschädigung bestünde, würde der Anmelder aufgrund einer durch das Deutschen Patent- und Markenamt vorgenommenen Handlung in einem Recht beschnitten, nämlich dem Recht auf Entschädigung. Hierbei ist der Weg der Überprüfung durch ein Gericht abgeschnitten, da es sich hierbei nicht um einen beschwerdefähigen Beschluss handelt. Mit anderen Worten erfolgt eine Einschränkung der Rechte des Anmelders durch die Exekutive, wobei eine unabhängige Überprüfung durch die Judikative nicht möglich ist.
Auch ist für den Anmelder unter Umständen bei Einreichung der Patentanmeldung nicht ersichtlich, dass ein Verstoß gegen die guten Sitten oder die öffentliche Ordnung vorliegt. Da es hierzu keine Richtlinien gibt, ist es für den Anmelder nicht nachvollziehbar, ab wann das Unterlassen der Veröffentlichung erfolgt. Dies könnte somit von der Öffentlichkeit als Akt der Willkür durch das Deutschen Patent- und Markenamt angesehen werden.

Zudem ist in dem Fall, dass seitens des Deutschen Patent- und Markenamts ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten festgestellt wird, eine Änderung der Patentanmeldung durch den Anmelder, sodass dennoch eine Veröffentlichung erfolgt, bis zum Eingang des Prüfungsantrags gemäß § 38 Satz 1 PatG nicht möglich, da keine der dort genannten Tatbestände vorliegen. Somit wäre der Anmelder gezwungen, bereits vorzeitig Prüfungsantrag zu stellen, sofern beispielsweise unabsichtlich eine derartige Angabe aufgenommen wurde.

Partielles Unterbleiben der Veröffentlichung

Falls nur der Teil nicht veröffentlich wird, der gegen die öffentliche Ordnung bzw. die guten Sitten verstößt, müsste ein Hinweis in die Offenlegungsschrift aufgenommen werden, dass Teile der ursprünglich eingereichten Unterlagen, die dem Patenterteilungsverfahren später zugrunde gelegt werden, nicht in die Offenlegungsschrift aufgenommen werden. Ein Dritter muss dann weiterhin die Möglichkeit haben, sich im Wege der Akteneinsicht auch Einsicht in diese Teile der ursprünglichen Unterlagen zu verschaffen. Ansonsten ist er nicht in der Lage, zu überprüfen, ob beispielsweise ein erteiltes Patent nicht doch unzulässig erweitert sein könnte. Daher muss ein Rechtsweg für Dritte eröffnet werden, der in begründeten Fällen eine Einsicht in die vollständigen Akten ermöglicht.

Fehlende Regelung bezüglich der Patentschrift

Gemäß der derzeitigen Formulierung ist lediglich die Veröffentlichung der Offenlegungsschrift ausgeschlossen, jedoch nicht die Veröffentlichung der Patentschrift, sofern diese Angaben oder Zeichnungen enthält, die offensichtlich gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Zwar ist gemäß § 2 (1) PatG ausgeschlossen, dass für eine Erfindung, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt, ein Patent erteilt wird. Jedoch ist dadurch nicht ausgeschlossen, dass die Patentschrift Angaben enthalten kann, die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen. Aufgrund der Neuformulierung könnte daher davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber dies ebenso wollte, weswegen eine analoge Anwendung ausgeschlossen ist. Folglich könnte somit eine Patentschrift veröffentlicht werden, auch wenn diese gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßenden Angaben enthält.
Dies erachten wir umso mehr als problematisch, da eine Patentschrift erst nach Abschluss des Prüfungsverfahrens veröffentlicht wird, also wenn ein Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vorliegt, dass die Veröffentlichung erfolgen kann. Der Öffentlichkeit könnte es sich somit darstellen, dass die gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßenden Teile der Patentschrift eine Duldung und Zustimmung des Deutschen Patent- und Markenamts und daher auch des Staats besäßen.

Änderung des § 36 (2) PatG

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte begrüßt und befürwortet die angedachte Regelung im Hinblick auf die Ermöglichung zügiger und effizienter Verfahren.

Änderung des § 42 (2) PatG

Die Regelungen des § 42 PatG sollen das Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt beschleunigen und dessen Aufwand verringern. Aus diesem Grund soll bereits frühzeitig eine Überprüfung durchgeführt werden, ob der Gegenstand der Anmeldung patentfähig ist. Hierbei handelt es sich lediglich um eine kursorische Überprüfung, bei der im Wesentlichen Formalien überprüft werden. Eine Überprüfung auf Neuheit oder erfinderische Tätigkeit findet beispielsweise nicht statt.

Mittels der Erweiterung der zu überprüfenden Voraussetzungen würde vor Aufnahme des eigentlichen Prüfungsverfahrens bereits die Prüfungsstelle befähigt, eine Anmeldung zurückzuweisen, wenn die Voraussetzungen zum Beispiel des § 1a Abs. 1 PatG nicht erfüllt sind. In Abs. 2 des gleichen Paragraphen sind jedoch Ausnahmetatbestände aufgelistet, die eine patentierbare Erfindung darstellen können. Hierbei handelt es sich um eine vergleichsweise diffizile Unterscheidung, die nicht anhand einer kursorischen Überprüfung getroffen werden kann.
Auch müsste zum Beispiel bereits bei der Offensichtlichkeitsprüfung überprüft werden, ob lediglich eine bloße Entdeckung eines der Bestandteile des menschlichen Körpers vorliegt, und nicht ein durch ein technisches Verfahren gewonnener Bestandteil des menschlichen Körpers. Somit ist bereits eine tiefergehende Überprüfung der eingereichten Erfindungsunterlagen sowie eine Überprüfung der tatsächlichen Erfindung erforderlich, die im Rahmen einer Offensichtlichkeitsprüfung nicht vorgesehen ist. Auch ist es möglich, dass aufgrund der Zurückweisungsmöglichkeit gemäß § 42 (3) PatG bereits vor Stellung des Prüfungsantrags eine umfangreiche Diskussion mit dem Anmelder erfolgt. Dies führt auf Anmelderseite zu erhöhten Kosten. Zudem führt diese Diskussion zu einer Verzögerung, die die rechtzeitige Erstellung des ersten Bescheids zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit derart verzögern kann, dass der Anmelder diesen nicht mehr als Grundlage für seine Entscheidung über Prioritätsfolgeanmeldungen nutzen kann.

Änderung des §§ 82, 83 PatG

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte ist ebenfalls der Auffassung, dass eine verstärkte Synchronisation des Nichtigkeitsverfahrens mit dem Verletzungsverfahren erfolgen muss.

Nach unserer Ansicht berücksichtigt jedoch die vergleichsweise kurze Frist von zwei Monaten, die dem Beklagten zur Begründung des Widerspruchs zugestanden wird, nicht, dass von einem Verletzer bereits vor dem eigentlichen Verletzungsverfahren ein Nichtigkeitsverfahren angestrengt werden kann.
Als Folge könnte dem Patentinhaber, schon bevor er von der Verletzung weiß, überfallartig eine Nichtigkeitsklage zugestellt werden. Dadurch ist es für den Patentinhaber und Beklagten erforderlich, die zugestellte Klage unter hohem Zeitdruck zu überprüfen und hierauf zu reagieren. Derartige Klagen sind regelmäßig umfangreich. Zudem kann es sein, dass die Zustellung der Klage in einen Zeitraum fällt, in dem auf Seiten des Beklagten und/oder seines Vertreters wenig Personalressourcen zur Verfügung stehen (Weihnachtszeit, Elternzeit, …). Dann ist eine angemessene Begründung des Widerspruchs nicht oder lediglich mit unverhältnismäßig großem Aufwand möglich.
Die Beklagte hat zwar dadurch, dass keine Begründung des Widerspruchs erfolgt, zunächst keinen unmittelbaren Rechtsnachteil. Jedoch ist zu erwarten, dass sich das Fehlen der Begründung zu Lasten des Beklagten auf den Hinweis des Patentgerichts auswirkt. Zwar führt dieser Hinweis selbst zunächst zu keinem unmittelbaren Rechtsnachteil, jedoch würde sich dieser Hinweis, sofern er von den Verletzungsgerichten berücksichtigt werden soll, zu Lasten des Beklagten bei der Durchsetzung des Patents in dem Verletzungsverfahren auswirken. Dies gilt in besonderem Maße bei der Durchsetzung des Patents im Rahmen einer einstweiligen Verfügung. Falls nun der Verletzungsgegenstand beispielsweise ein Saisonartikel ist, könnte dem Patentinhaber hierdurch die Möglichkeit genommen werden, einen Unterlassungsanspruch wirksam durchzusetzen.

Fehlen aufgrund der kurzen Frist Inhalte in der Begründung oder gar die gesamte Begründung, so führt dies dazu, dass diese Inhalte in dem Hinweis des Patentgerichts nicht berücksichtigt werden können, der gemäß der angedachten Änderungen in § 81 (1) PatG bereits unmittelbar nach Ablauf der Frist für die Begründung des Widerspruchs ergehen kann. § 83 (2) PatG sieht im Anschluss an den Hinweis des Patentgerichts bereits eine Frist für eine abschließende Stellungnahme vor, nach deren Ablauf § 84 (4) PatG die Möglichkeit der Zurückweisung neuer Verteidigungsmittel eröffnet. Zwar sieht § 83 (4) PatG die Zurückweisung neuer Verteidigungsmittel nur unter hohen Voraussetzungen vor, dennoch kann das resultierende strenge Fristenregime in Einzelfällen zu einer erheblichen Benachteiligung des Patentinhabers mit der Folge führen, dass diesem aufgrund der strengen Handhabung verfahrensrechtlicher Aspekte ein unwiederbringlicher Schutzrechtsverlust droht, der gegebenenfalls materiell nicht gerechtfertigt wäre.

Wir schlagen daher vor, die Frist von zwei Monaten auf vier Monate zu verlängern. Darüber hinaus regen wir an, dass die Frist von vier Monaten auf zwei Monate verkürzt wird, wenn der Nichtigkeitskläger auf ein anhängiges Verletzungsverfahren hinweist, das zwischen denselben Parteien anhängig ist und das auf das entsprechende Patent gestützt ist.

Änderung des § 139 PatG

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte lehnt die geplante Neuregelung des § 139 PatG ab.

Wie bereits in Publikationen und Stellungnahmen, auch von den Mitgliedern des X. Senats des Bundesgerichtshofs (z.B. Herrn Professor Meier-Beck auf der Jahrestagung der GRUR 2019 in Frankfurt), vielfach ausgeführt, besteht schon mit den derzeit geltenden Regelungen durchaus die Möglichkeit einer Verhältnismäßigkeitsprüfung.
Diese sollte nach unserer Auffassung ohnehin nicht den Unterlassungsanspruch als solchen betreffen, sondern vielmehr auf dessen Durchsetzbarkeit beschränkt sein. Diese Regelung hätte – im Unterschied zu einem Ausschluss des Unterlassungsanspruchs als solchem nach dem vorliegenden Gesetzentwurf – aus unserer Sicht erhebliche Vorteile in der Handhabung.

Aus unserer Sicht sollte der Unterlassungsanspruch als solcher nicht geändert werden. Wir schlagen vor, im Falle einer Aussetzung der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zugleich eine zeitliche Befristung des Unterlassungsanspruchs auszusprechen. Die Dauer der zeitlichen Befristung müsste dann nach unserer Auffassung wiederum Gegenstand der Verhältnismäßigkeitsprüfung sein. Sollte die Dauer der gewährten Aufbrauchsfrist nicht ausreichen, könnte der Verletzer – im direkten Gespräch mit dem Patentinhaber oder durch Anrufung des Gerichts – eine Verlängerung der Aussetzung der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs beantragen. Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit müsste der Verletzer dann auch hinnehmen, dass in der Prüfung mit einfließt, inwieweit sich der Verletzer in der zur Verfügung stehenden Zeit ernsthaft bemüht hat, die Verletzungshandlungen zu beenden.

Aus unserer Sicht sollte die bestehende Rechtslage, die durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits jetzt geschaffen wurde, nicht geändert werden. Demnach sind die Voraussetzungen für die Gewährung einer Aufbrauchsfrist vergleichsweise hoch, sodass diese lediglich in wenigen Ausnahmefällen zum Tragen gewährbar sein dürfte. Ohnehin bezieht sich der Bundesgerichtshof in der zitierten Entscheidung (X ZR 114/13 „Wärmetauscher“) lediglich auf die Einräumung einer Aufbruchsfrist unter diesen strengen Voraussetzungen, nicht auf den Unterlassungsanspruch als solchen.

Soweit darauf abgestellt wird, dass die Umsetzung der bisherigen Rechtsprechung durch die Instanzgerichte „soweit ersichtlich […] nur sehr zurückhaltend“ erfolgt, kann dies daran liegen, dass es schlicht und ergreifend an entsprechendem Parteivortrag auf der Seite der Verletzungsbeklagten fehlt. Insofern würde dann für das Instanzgericht auch keine Veranlassung bestehen, eine Entscheidung über eine mögliche Aussetzung der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zu treffen. Ob sich diese Situation durch eine Änderung des § 139 PatG ändert, darf bezweifelt werden. Das Ausbleiben eines entsprechenden Vortrags kann auch daran liegen, dass auf Seiten der Verletzer erkannt wird, dass eine Aussetzung der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nicht in Frage kommt.

Ein solcher Antrag auf Aussetzung der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs wird weder jetzt noch in Zukunft „vorsorglich“ gestellt werden. Die Begründung dieses Antrages erfordert einigen Sachvortrag zu betriebsinternen Dingen und Abläufen, die ein Beklagter in einem Verletzungsprozess nicht ohne unmittelbare Notwendigkeit einem Wettbewerber (d.h.: dem Patentinhaber) offenlegen will. An dieser Situation ändert auch eine Gesetzesänderung nichts.

Auch ist zu bedenken, dass es keinesfalls so ist, dass die Aufbrauchsfrist derart lang bemessen sein muss, dass der Verletzer nach der Umstellung in der Aufbrauchsfrist seinen Geschäftsbetrieb unbeeinträchtigt fortsetzen kann. Die Aufbrauchsfrist muss lediglich gerade so lang bemessen sein, dass nur die unzumutbare Härte, die aus der sofortigen Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs resultiert (s.u.), den Verletzer nicht mehr trifft. Die aus dem Unterlassungsanspruch resultierenden „zwangsläufigen Härten“, die „grundsätzlich hinzunehmen“ sind (X ZR 114/13 „Wärmetauscher“, Rn. 45), sollen jedoch auch weiterhin unberührt bleiben. Ausufernde Aufbrauchsfristen, die einem vollständigen Ausschluss des Unterlassungsanspruchs im Ergebnis gleichkämen, werden in der Praxis nach den Prinzipien der Wärmetauscher-Entscheidung daher kaum vorkommen.

Die im vorliegenden Entwurf gewählte Formulierung „durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigte Härte“ als Tatbestandsvoraussetzung stellt nach Auffassung des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte eine graduelle Abschwächung der Formulierung des Bundesgerichtshofs, „dass die wirtschaftlichen Folgen der sofortigen Befolgung des Unterlassungsgebots den Verletzer im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände über die mit seinem Anspruch bestimmungsgemäß einhergehende Beeinträchtigungen hinaus in einem Maße treffen und benachteiligen, dass die unbedingte Untersagung als unzumutbar erscheinen lässt“, dar (X ZR 114/13 „Wärmetauscher“, Rn. 45).

Der Bundesgerichtshof verwendet den absoluten Begriff „unzumutbar“ anstatt einer schwächeren, nur auf eine gerechtfertigte Verhältnismäßigkeit abstellenden Formulierung. Damit betont der Bundesgerichtshof, dass die Beeinträchtigung und Benachteiligung weit über eine bloße Unverhältnismäßigkeit hinausgehen müssen, um eine Aufbrauchsfrist zu rechtfertigen. Eine echte Unzumutbarkeit wird jedoch regelmäßig erst dann vorliegen, wenn die sofortige Befolgung den Verletzer in eine derartige wirtschaftliche Bedrängnis bringen würde, dass dessen Existenz gefährdet wäre.

Eine nach Auffassung des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte angemessene Formulierung, die sich zudem auch am Leitsatz der in Rede stehenden Entscheidung („Wärmetauscher“) des Bundesgerichtshofs orientiert, könnte wie folgt lauten:

„Die sofortige Durchsetzung des Anspruchs kann im Einzelfall ausnahmsweise ausgeschlossen sein, soweit die sofortige Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs des Patentinhabers auch unter Berücksichtigung seiner Interessen aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls gegenüber dem Verletzer eine unverhältnismäßige Härte darstellt, die über die hinzunehmende Härte, die sich aus dem Ausschließlichkeitsrecht und den regelmäßigen Folgen seiner Durchsetzung ergibt, in nicht mehr zumutbarer Weise hinausgeht. Mit dem Ausschluss der sofortigen Durchsetzung des Anspruchs ist zugleich eine zeitliche Befristung für diesen Ausschluss auszusprechen.“

Auch wird der Begriff „unverhältnismäßig“ im vorliegenden Gesetzentwurf anders verwendet als beispielsweise im Leitsatz der in Rede stehenden Entscheidung. Im Leitsatz der Entscheidung wird auf das Vorliegen einer unverhältnismäßigen Härte als Folge der sofortigen Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs als Tatbestandsvoraussetzung für die Gewährung der Aufbrauchfrist abgestellt. Ebenso in der Begründung der Entscheidung (X ZR 114/13 „Wärmetauscher“, Rn. 45). Der vorliegende Gesetzentwurf hingegen formuliert die Unverhältnismäßigkeit lediglich als Folge einer durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte. Eine Formulierung, die der Bundesgerichtshof jedoch vor dem Hintergrund der hinzunehmenden Härten gerade vermieden hat (s.o.).

Vor diesem Hintergrund ist die Aussage in der Begründung des Gesetzentwurfs, Seite 32, die gesetzlichen Rahmenbedingungen würden schon heute die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Unterlassungsanspruchs bei Patentverletzungen ermöglichen, zumindest unpräzise. Zutreffender wäre die Formulierung, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen schon heute die Abwendung unzumutbarer Härten aus der unbedingten Anwendung – im Sinne der sofortigen Durchsetzung – des Unterlassungsanspruchs ermöglichen. Dass es bei der derzeitigen Umsetzung durch die Instanzgerichte „vereinzelt zu Fällen kommen kann, in denen die wirtschaftlichen Nachteile einer gerichtlich gewährten Unterlassungsverfügung über das Maß hinausgehen, das für eine hinreichend abschreckende Wirkung erforderlich ist“, ist gemessen an dieser präziseren Formulierung gerade noch kein Anlass für eine Gesetzesänderung, die lediglich eine Klarstellung der bestehenden Rechtslage sein möchte.

Hinzu kommt, dass bei den Rechtsfolgen einer Patentverletzung keineswegs die Abschreckung im Vordergrund steht. Der Patentinhaber ist durchweg darauf angewiesen, die Rechte aus dem Patent zivilrechtlich selbst durchzusetzen (eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft wegen einer Patentverletzung dürfte eine absolute Ausnahme darstellen). Dem sollte dadurch Rechnung getragen werden, dass bei der Abwägung auf die Interessen des Patentinhabers abgestellt wird. Dem Patentinhaber ist daran gelegen, seine ihm zustehende Alleinstellung durchsetzen zu können, die ihm auf Grund des erteilten Patentes zeitlich befristet zugestanden wurde. Wir halten es für unverhältnismäßig, einen Patentinhaber in den Möglichkeiten der Durchsetzung dieses Rechts zu beschneiden, mit einer Begründung, die auf allgemeine und übergeordnete Interessen („abschreckende Wirkung“) auch für andere Fälle abstellt. Dies gilt umso mehr, als der Patentinhaber zur Durchsetzung seiner Rechte das Verfahren selbst betreiben muss und auch selbst das Kostenrisiko trägt.

Die Härten, die aus dem Unterlassungsanspruchs resultieren, müssen daher durchaus über das Maß hinausgehen können, das für eine hinreichende Abschreckung (mindestens) erforderlich ist. Es reicht gerade nicht aus, dass der Unterlassungsanspruch maximal so weit geht, dass die hinreichend abschreckende Wirkung gerade noch erreicht wird. Er soll vielmehr erst dann in seiner Wirkung eingeschränkt werden, wenn diese Wirkung, die aus seiner sofortigen Durchsetzung resultiert, unzumutbar wird. Die Verhältnismäßigkeitsabwägung setzt daher im vorliegenden Entwurf – anschaulich gesprochen – an einem anderen Punkt an als in der bisherigen Rechtsprechung, was zwangsläufig auch die Resultate dieser Abwägung verschieben wird.

Von daher erscheint der vorliegende Gesetzesentwurf nicht geeignet, weiterhin einen starken Unterlassungsanspruch, der in der Begründung des Gesetzesentwurfs zu Recht als unverzichtbar bezeichnet wird, zu garantieren. Die Berücksichtigung der Verhältnismäßigkeit, so wie sie im vorliegenden Gesetzesentwurf angelegt ist, birgt in sich vielmehr ein hohes Risiko, dass es zu der – ausdrücklich nicht gewünschten – Entwertung des Patentrechts kommt.

Ebenfalls problematisch erscheint die Aufnahme der „Beachtung […] der Gebote von Treu und Glauben“ in den Tatbestand in der Form, wie es im vorliegenden Gesetzesentwurf erfolgt ist. In dieser Form impliziert die Wendung „Treu und Glauben“ aufgrund ihres Ursprungs im Vertragsrecht ein Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen den Interessen des Patentverletzers und den Interessen des Patentinhabers, zwischen denen ein angemessen ausgeglichenes Verhältnis zu finden sei. Dies sieht der Bundesgerichtshof in der Wärmetauscher-Entscheidung jedoch anders, da er regelmäßig betont, dass das Ausschließlichkeitsrecht des Patentinhabers durchaus Härten gegenüber dem Patentverletzer rechtfertigt. In der Wärmetauscher-Entscheidung werden subjektive Aspekte geprüft (Rn 53), doch auch dies erfolgt unter dem Aspekt der Aufbrauchsfrist und der Frage, ob die unbedingte (sofortige) Wirkung des Unterlassungsanspruchs den Beklagten unbillig trifft. Es ist nicht Gegenstand dieser Prüfung, ob der Unterlassungsanspruch an sich den Beklagten unbillig trifft. Die dortige Verwendung des Begriffs der Treuwidrigkeit ist nämlich die, dass sich die Treuwidrigkeit als Folge aus dem Vorliegen einer durch das Ausschließlichkeitsrecht und die regelmäßigen Folgen seiner Durchsetzung nicht gerechtfertigten Härte ergibt. In dieser Formulierung impliziert der Begriff der Treuwidrigkeit weit weniger eine systemwidrige Einbeziehung von Prinzipien aus dem Vertragsrecht in die Verhältnismäßigkeitsabwägung in Bezug auf den patentrechtlichen Unterlassungsanspruch, sondern reflektiert vielmehr ein allgemeines Gerechtigkeitsprinzip, wonach es Aufgabe des Richters sei, „[den Zweck und Sinn des Gesetzes] im Einzelfall der Rechtsanwendung nutzbar zu machen und danach unter Berücksichtigung von Treu und Glauben den Streitfall einer billigen und vernünftigen Lösung zuzuführen“ (BGHZ 2, 176, 184). Damit bezieht der Bundesgerichtshof das Prinzip von Treu und Glauben eben nicht in die Abwägung zur Verhältnismäßigkeit mit ein, sondern benennt lediglich eine Legitimation, den Unterlassungsanspruch ausnahmsweise durch Gewährung der Aufbrauchsfrist entgegen dem Wortlaut des Gesetzes aufzuweichen. In einem Gesetz selbst würde eine solche Legitimation nicht benötigt, der Zusatz „und daher treuwidrig wäre“ könnte daher in einem auf dem zweiten Leitsatz basierenden Gesetzentwurf restlos entfallen, ohne dass dies inhaltlich etwas ändern würde.

Fehlende Umsetzung in weiteren Gesetzen

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte stellt fest, dass der in dem Patentgesetz geregelte Unterlassungsanspruch neu geregelt werden soll, wohingegen der in dem Gebrauchsmustergesetz in den §§ 24 ff geregelte Unterlassungsanspruch gemäß dem vorliegenden Gesetzentwurf unangetastet bleibt. Wenn ein Patentanmelder im Erteilungsverfahren ein Gebrauchsmuster abzweigt (soweit es sich nicht um ein Verfahren handelt), müsste im Verletzungsverfahren beim Unterlassungsanspruch (bzw. bei dessen Durchsetzung) aus dem Patent gemäß der angedachten Neuregelung die Verhältnismäßigkeit geprüft werden (zumindest auf Antrag). Bei Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs aus dem Gebrauchsmuster wäre hingegen dafür kein Raum mehr – u.U. noch nicht einmal mehr unter Rückgriff auf § 242 BGB, weil mit der Änderung im Patentgesetz eine spezialgesetzliche Regelung geschaffen wäre, die im Gebrauchsmustergesetz bewusst nicht umgesetzt wurde.

Dem Bundesverband Deutscher Patentanwälte stellt sich zudem die Frage, wieso eine entsprechende Änderung nicht auch in § 15 (4) MarkenG aufgenommen wird. Schließlich ist hier die Gewährung von Aufbrauchsfristen unter Rückgriff auf § 242 BGB bereits jetzt nicht unüblich. Wird der dortige Unterlassungsanspruch durch den vorliegenden Gesetzentwurf jedoch nicht angetastet, würde das auch die bisherige dortige Praxis, auf § 242 BGB rückzugreifen, in Frage stellen. Schließlich ist das Markengesetz von den vorliegenden Gesetzesänderungen an anderer Stelle betroffen. Deswegen wäre zukünftig die Frage zu stellen, ob eine Aufbrauchsfrist noch gewährt werden kann, wenn doch der Gesetzgeber den dortigen Unterlassungsanspruch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bewusst nicht angetastet hat. Entsprechende Überlegungen ergeben sich natürlich auch für das Designgesetz. Im Grunde ergibt sich durch den vorliegenden Gesetzentwurf daher sogar eine Privilegierung ungeprüfter Schutzrechte gegenüber geprüften Schutzrechten.

Schlechterstellung des umsichtigen Marktteilnehmers

Bei der bisherigen Regelung wird keine Unterscheidung zwischen der Patentverletzung in Kenntnis des Patents und der Verletzung in Unkenntnis des Patents vorgenommen. Das Tatbestandsmerkmal der „Beachtung […] der Gebote von Treu und Glauben“ eröffnet Überlegungen zu dieser Frage, die zu unbefriedigenden Ergebnissen führen.

Bei der geplanten Neuregelung des §139 PatG ergibt sich bei der Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben die Frage, ob hierunter auch der Fall zu verstehen ist, bei dem die Verletzungshandlung erst nach Kenntnisnahme eines Patents durchgeführt wird. Falls dies als treuwidrig zu werten wäre, würde der Marktteilnehmer, der keine Patentrecherche durchführt, besser gestellt als der Marktteilnehmer, der eine Patenüberwachung durchführt und nach Patenten recherchiert. Falls es auf die Kenntnis des Verletzers von der Verletzung jedoch nicht ankommt, würde der redliche Lizenzsucher, der sich vor der eigentlichen Verletzungshandlung um eine Lizenz bemüht, schlechter gestellt: In dem einem Fall könnte ihm die Lizenz seitens des Patentinhabers verwehrt werden, sodass eine danach vorgenommene Verletzungshandlung höchstwahrscheinlich nicht mehr unter den Ausnahmetatbestand des § 139 PatG fallen würde. Im anderen Fall müsste der redliche Lizenzsucher zumindest stets die Lizenzgebühren zahlen, wohingegen derjenige, der nicht um die Lizenz nachgesucht hat, darauf hoffen kann, dass der Patentinhaber die Verletzung nicht feststellt oder aufgrund des Prozesskostenrisikos nicht gegen den Verletzer vorgeht. Falls dies dennoch geschehen würde, könnte sich der Verletzer auf den Ausnahmetatbestand des § 139 PatG berufen. Das würde ihn zwar zur Zahlung des Schadenersatzes verpflichten, dessen Höhe entspräche jedoch im Wesentlichen der Höhe der Lizenz des redlichen Lizenznehmers.

Zusammenfassend bestünde folglich kein Anreiz mehr, im Vorfeld um eine Lizenz nachzusuchen, da der Verletzer finanziell kaum schlechter als der redliche Lizenznehmer gestellt würde, falls überhaupt eine Zahlung erfolgen müsste. Folglich bestünde kein Abschreckungspotential des Unterlassungsanspruchs mehr.

Mögliche vollständige Aushebelung des Unterlassungsanspruchs I

Zudem sind Konstellationen möglich, in denen sich der Unterlassungsanspruch nicht mehr gegen den Hersteller verletzender komplexer Produkte, wohl aber gegen Händler dieser Produkte durchsetzen lässt. Der Unterlassungsanspruch gegenüber Händlern dieser Produkte wäre nämlich gesondert zu prüfen. Wenn ein Händler nun in ausreichender Menge Produkte vertreibt, die keine Verletzung des Patents darstellen, wäre der Unterlassungsanspruch gegen diesen Händler gemäß der Neuregelung durchsetzbar. Diese sind typischerweise nicht so finanzstark wie die Hersteller. Darüber hinaus haben sie üblicherweise weniger oder gar keine Kenntnis über die exakte technische Ausgestaltung der Produkte und auch keinen Einfluss auf diese. Infolgedessen würden sich Unterlassungsklagen und/oder Androhungen derselben zukünftig unter Umständen auf die dem Hersteller nachgelagerten Händler konzentrieren, um den Verkauf der verletzenden Produkte im Inland faktisch zu unterbinden. In vielen Fällen würde wohl eine Einschüchterung der Händler bereits zur Zurückhaltung beim weiteren Vertrieb strittiger Produkte führen. Die selbige Argumentation gilt auch für Transporteure, die im Zuge des Transports in den Besitz der verletzenden Produkte gelangen. Somit kann der Hersteller die verletzenden Produkte zwar herstellen, der diese transportierende Transporteur würde dem Unterlassungsanspruch jedoch unterliegen. Die von den Herstellern komplexer Produkte beklagte „Erpressung“ wäre daher grundsätzlich auch weiterhin möglich (andernfalls müsste der Unterlassungsanspruch soweit aufgeweicht werden, dass der Unterlassungsanspruch in der vollständigen Vertriebskette nunmehr gänzlich nicht mehr durchsetzbar wäre). Darüber hinaus würde dies zu einer erhöhten Belastung der Gerichte führen.

Es ist daher davon auszugehen, dass finanziell gut ausgestattete Patenttrolle durchaus in der Lage sein werden, diejenigen Punkte in den Lieferketten, an denen sich der Unterlassungsanspruch durch die angedachte Gesetzesänderung nicht ausschließen lässt, zu identifizieren und gezielt dort anzugreifen.

Mögliche vollständige Aushebelung des Unterlassungsanspruchs II

Eine weitere mögliche Fallkonstellation betrifft Unternehmen, die lediglich ein einziges Produkt vertreiben/herstellen. Dies ist häufig bei neu gegründeten Unternehmen, sogenannten Start-ups, der Fall. Falls dieses eine Produkt eine Patentverletzung darstellt, könnte das Unternehmen bei Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs keine weiteren Produkte absetzen, weswegen der Geschäftsbetrieb eingestellt werden müsste. Dies könnte zu dem Ergebnis führen, dass es sich um eine nicht gerechtfertigte (d.h. unzumutbare) Härte handelt. Der Unterlassungsanspruch wäre dann nach der Formulierung des Gesetzentwurfs gegenüber diesem Unternehmen ausgeschlossen. Somit wäre es möglich, dass die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse eines Marktteilnehmers, die in einem Patent münden, durch ein derartiges Unternehmen verwertet werden, ohne dass der Patentinhaber dies verbieten könnte. Dies wird nach Ansicht des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte zu verringerter Forschungs- und Entwicklungstätigkeit in Deutschland führen. Um den Zustand der Patentverletzung nicht zum Dauerzustand werden zu lassen, halten wir es für erforderlich, die Aussetzung der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs zeitlich zu befristen.

Darüber hinaus ist nicht geklärt, wie es sich auswirkt, wenn das Unternehmen, gegen das der Unterlassungsanspruch in einer solchen Situation in einer rechtskräftigen Entscheidung ausgeschlossen worden ist, wächst und so in eine Position gelangt, in der der Unterlassungsanspruch keine unverhältnismäßige Härte gegenüber diesem Unternehmen mehr darstellt. Es ist unklar, ob der Patentinhaber in einer derartigen Situation den Unterlassungsanspruch erneut geltend machen kann, oder ob ihm aufgrund der Rechtskraft der Entscheidung diese Möglichkeit der Durchsetzung seines Patents weiterhin verwehrt bleibt, obwohl die entsprechenden Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Und selbst wenn der Patentinhaber den Unterlassungsanspruch erneut geltend machen könnte, so würde der notwendige erneute Verletzungsprozess für ihn und das befasste Gericht eine zusätzliche Belastung bedeuten.

Zusammenfassend besteht daher nicht nur die Gefahr, dass aufgrund der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Regelung der Unterlassungsanspruch weit über das beabsichtigte Maß hinaus abgeschwächt wird. Es besteht auch die Gefahr, dass diese Maßnahme ihr Ziel in der Praxis zudem noch verfehlt.

Keine Notwendigkeit der Neuregelung

Auch ist an dieser Stelle die Frage zu stellen, wieso eine Gesetzesänderung überhaupt notwendig sein soll. Die Rechtsprechung ist vor der Wärmetauscher-Entscheidung immer von einem unbedingten Unterlassungsanspruch ausgegangen. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zwar in der Sache die Gewährung einer Aufbrauchsfrist abgelehnt, die grundsätzliche Gewährbarkeit einer Aufbrauchsfrist, wenn die entsprechenden strengen Voraussetzungen erfüllt sind, jedoch bejaht. Dass Instanzgerichte als Folge dieser Rechtsprechung nun nicht regelmäßig Aufbrauchsfristen gewähren, kann vielerlei Hintergründe haben (s.o.). Es ist nicht auszuschließen, dass es sich um Fälle handelt, in denen die Voraussetzungen für die Ausnahme schlichtweg nicht geben waren und/oder nicht hinreichend dargelegt worden sind. Da die geplante Neuregelung in die Rechte sämtlicher Patentinhaber eingreift, und da die Entscheidung erst vier Jahre zurückliegt, wäre nach Auffassung des Bundesverbands Deutscher Patentanwälte zunächst zu prüfen, ob die Einschätzung, die Instanzgerichte würden die seitens des Bundesgerichtshofs aufgestellten Verhältnismäßigkeitserwägungen nicht hinreichend berücksichtigen, sich nicht von selbst erledigt, wenn denn einmal eine Partei in einem Verletzungsverfahren in geeigneter Weise zur Sache vorträgt. Ausgehend von der in der Begründung des Gesetzesentwurfs geschilderten Situation vor den Instanzgerichten erschließt sich für den Bundesverband Deutscher Patentanwälte nicht, dass eine Gesetzesänderung geboten ist. Jedenfalls sollte zuvor eine weitergehende und tiefgreifendere Evaluierung der bestehenden Situation und eine genaue Analyse der in Rede stehenden Entscheidungen konkretere Indikatoren für einen entsprechenden Handlungsbedarf liefern.

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte ist sich des zweifelsfrei bestehenden grundsätzlichen Risikos unbilliger Härten für Hersteller komplexer Produkte durchaus bewusst. Die vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung, dass eine Aufbrauchsfrist als letztes Mittel zur Abwendung unzumutbarer Härten grundsätzlich möglich sein kann, begrüßt der Bundesverband Deutscher Patentanwälte daher ausdrücklich. Doch das deutsche Patentwesen hat sich über die Jahrzehnte gerade wegen der effizienten Durchsetzbarkeit des Unterlassungsanspruchs zu einem der weltweit führenden entwickelt. Davon haben wesentliche Teile unserer Industrie profitiert. Warum sollte daran etwas geändert werden? Und wenn denn doch eine Änderung erfolgen sollte, dann sollte diese mit der gesamten Behutsamkeit erfolgen, die der Bundesgerichtshof in seiner Wärmetauscher-Entscheidung vorgezeichnet hat.

Änderung des Art III § 4 (2) IntPatÜbkG

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte begrüßt und befürwortet ausdrücklich die Verlängerung der Frist auf 31 Monate, da dies eine Angleichung an das Europäische Patentübereinkommen und somit eine Erleichterung für Anmelder darstellt. Aus Sicht des Bundesverbands Deutscher Patentanwälte wäre eine entsprechende Angleichung an das EPÜ im Hinblick auf die Bemessungsgrundlage der Anspruchsgebühren in Art III § 4 (3) IntPatÜbkG ebenfalls sinnvoll.

Darüber hinaus erachtet es der Bundesverband Deutscher Patentanwälte für erstrebenswert, die Einleitung einer nationalen Phase in Deutschland zu einer PCT-Anmeldung auch auf Grundlage einer Formulierung der Anmeldungsunterlagen zuzulassen, die nicht in der deutschen Sprache abgefasst ist. Die Einreichung einer Übersetzung in die deutsche Sprache könnte innerhalb einer Nachfrist von zwei Monaten nach Ablauf der 31 Monate vorgesehen werden, ggf. unter Erhebung einer Verspätungsgebühr. Nur so können Anmelder die 31 Monate ausschöpfen, da die Anfertigung der Übersetzung in der Praxis einigen Vorlauf erfordert. Dies entspräche der Praxis in vielen Ländern, die zumindest eine zeitlich beschränkte Heilungsmöglichkeit bei Fristversäumnis vorsehen (z.B. das Europäische Patentamt im Wege der Weiterbehandlung).

Zudem würde diese Änderung des Int-PatÜbkG auch zu einer einheitlichen Handhabung fremdsprachiger Anmeldungen vor dem Deutschen Patent- und Markenamt führen. Wenn ein Anmelder keine PCT-Anmeldung einreicht, sondern direkt auf Basis einer fremdsprachigen Anmeldung unter Inanspruchnahme der Priorität eine nationale Patentanmeldung beim Deutschen Patent- und Markenamt einreicht, kann er dies nämlich bereits heute in einer fremden Sprache vornehmen, sofern die Übersetzung nachgereicht wird.

Änderung des § 3 (4) und (5) ERVDPMA

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte begrüßt und befürwortet ausdrücklich die angedachte Regelung hinsichtlich der Möglichkeit der Verwendung der elektronischen Anmeldesysteme des EPA und der WIPO. Durch die so geschaffenen Redundanzen bestehen für die Anmelder Ausweichmöglichkeiten beim Ausfall einzelner Anmeldesysteme.

 

Änderung des § 3 (5) ERVDPMA, §1 (1) PatKostZV

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte begrüßt und befürwortet grundsätzlich die Nutzung der Internetseiten des Deutschen Patent- und Markenamts zur Information der Anmelder.

Falls sich jedoch aufgrund einer technischen Fehlfunktion oder eines Tests falsche Inhalte auf der Internetseite finden würden oder die Internetseite vorsätzlich mit falschen Inhalten gefüllt würde, könnte sich für den Anmelder ein Rechtsnachteil ergeben, nämlich dann, wenn ein nicht vorgesehener Anmeldeweg oder ein nicht vorgesehenes Zahlungsmittel verwendet würde. Im ersten Fall würde dies zum Verlust des Anmeldetags und im zweiten Fall einerseits zum Verlust des Geldes führen und zudem die Folge haben, dass eine bestimmte Handlung als nicht vorgenommen gilt.

Zudem ist für den Anmelder nicht ersichtlich, ob und ab wann sich die jeweiligen Voraussetzungen geändert haben. Hierfür müsste der Anmelder stets die vollständige Internetseite des Deutschen Patent- und Markenamts überprüfen, da sich auch die Adresse der jeweiligen Veröffentlichung geändert haben könnte. Zur Abhilfe hiervon müsste das Deutschen Patent- und Markenamt einen Zeitstempel auf der jeweiligen Internetseite integrieren sowie die Internetseite in ein Archiv überführen, was zu einem erhöhten Aufwand führen würde.

Wir schlagen daher vor, das Informationsangebot auf der Internetseite des Deutschen Patent- und Markenamts zu verwenden, jedoch die entsprechenden rechtsverbindlichen Veröffentlichungen mittels einer Mitteilung des Deutschen Patent- und Markenamts, wie das Blatt für Patent-, Muster- und Zeichenwesen, vorzunehmen. Somit ist einerseits eine Dokumentation vorhanden. Andererseits besteht für den Anmelder Rechtssicherheit, wann und wie entsprechende Handlungen durchzuführen sind.

Änderung der DPMAV

Mit unserer Stellungnahme vom 28.09.2018 hatten wir einen Vorschlag zur Neufassung des § 28 DPMAV vorgelegt.

Aus den damals nach diesseitiger Ansicht weiterhin geltenden Gründen, schlagen wir auch weiterhin folgende Fassung für § 28 Abs. 4 Satz 2 vor:

Wird ein Antrag auf Eintragung eines Rechtsübergangs allein von den Rechtsnachfolgern gestellt und liegt dem Deutschen Patent- und Markenamt keine Erklärung nach Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe a vor, so fordert das Deutsche Patent- und Markenamt den eingetragenen Inhaber vor der Eintragung des Rechtsübergangs zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Absendung der Aufforderung an die Adresse des im Register eingetragenen Vertreters des eingetragenen Inhabers oder – wenn kein Vertreter eingetragenen ist – an die zuletzt zu dem Schutzrecht mitgeteilte Zustellanschrift auf. Diese Frist zur Stellungnahme wird auf Antrag des eingetragenen Inhabers einmalig um einen Monat verlängert.

Mittels der von uns vorgeschlagenen Regelung ist für den die Eintragung des Rechtsübergangs Beantragenden ein konkreter Zeitraum festgelegt, innerhalb dessen mit einem Einwand des eingetragenen Inhabers gerechnet werden muss und nach dem, sofern kein derartiger Einwand erfolgte, der Rechtsübergang eingetragen wird. Somit ist für den Beantragenden ersichtlich, ab wann beispielsweise Rechte aus dem Schutzrecht geltend gemacht werden können.
Auch für die Öffentlichkeit ist auf diese Weise nachvollziehbar, wer innerhalb welcher Zeit Rechte aus dem Schutzrecht geltend machen kann oder gegen wen etwaige Rechte geltend gemacht werden können.

Somit erhöht eine konkrete feste Regelung der Frist (sowohl hinsichtlich des Beginns der Frist als auch hinsichtlich deren Dauer) die Rechtssicherheit sowohl für den eingetragenen Inhaber als auch den Beantragenden und die Öffentlichkeit.

Wir halten die Frist von zwei Monaten für ausreichend für den Postlauf der Aufforderung des Deutschen Patent- und Markenamt zur Stellungnahme an den eingetragenen Inhaber innerhalb dieser Frist von zwei Monaten. Dies gilt umso mehr, als diese Frist nach unserem Vorschlag auf Antrag nochmals um einen Monat verlängert wird.

Die Wahl von zwei Monaten als Frist zur Stellungnahme ist dabei sowohl für den eingetragenen Inhaber als auch den Beantragenden keine unzumutbare Verzögerung der Eintragung. Sofern seitens des Beantragenden / des eingetragenen Inhabers eine schnellere Eintragung des Rechtsübergangs gewünscht wird, steht auch weiterhin die in DPMAV § 28 Absatz 3 Nummer 2 Buchstabe b genannte Vorgehensweise offen.