Der umstrittenste und wohl auch gravierendste Teil der geplanten Gesetzesänderung betrifft die Änderung des §139 PatG. Diesbezüglich ist im Referentenentwurf nunmehr eine Fassung vorgesehen, die den Gerichten einen weiten Spielraum bei der Anwendung lässt, der weit über die bisherige Rechtslage, nach der nach höchstrichterlicher Rechtsprechung in Ausnahmefällen die Gewährung einer Aufbrauchsfrist zulässig ist, hinausgeht.
Der BDPA erkennt den Willen an, ein mögliches „Erpressungspotenzial“, das mit einem starken Unterlassungsanspruch einhergehen und von sog. „Trollen“ ausgenutzt werden könnte, zu entschärfen. Nach Ansicht des BDPA besteht bei der gewählten Formulierung, insbesondere aufgrund des sehr weiten Gestaltungsspielraumes für die anwendenden Gerichte, jedoch ein hohes Risiko, dass die gewünschte Wirkung verfehlt wird. Es besteht vielmehr die Gefahr der Entrechtung redlicher Patentinhaber bei gleichzeitiger Schaffung zusätzlicher Anreize für besagte „Trolle“, wenn von der Möglichkeit der Kompensation einer vollständigen Versagung des Unterlassungsanspruchs durch Entschädigungszahlungen von den Gerichten zu häufig Gebrauch gemacht wird.
Ein derartiges Szenario ist nicht unwahrscheinlich, bietet diese Kombination doch in vielen Fällen einen scheinbaren Königsweg zur Umgehung von Härten für die Beteiligten. In letzter Konsequenz kann dies jedoch dazu führen, dass sich Angehörige bestimmter Industriezweige von den Patenten Dritter und damit insbesondere ihrer Zulieferer praktisch freikaufen könnten. Ein derartiges Szenario zu riskieren, kann nicht Ziel einer verantwortungsbewussten und vorausschauenden Gesetzgebung sein, die das Wohl der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft zum Ziel hat.
Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte ist sich des zweifelsfrei bestehenden grundsätzlichen Risikos unbilliger Härten für Hersteller komplexer Produkte durchaus bewusst. Die vom Bundesgerichtshof vertretene Auffassung, dass eine Aufbrauchsfrist als letztes Mittel zur Abwendung unverhältnismäßiger, nicht gerechtfertigter Nachteile grundsätzlich möglich sein kann, begrüßt der Bundesverband Deutscher Patentanwälte daher ausdrücklich. Doch das deutsche Patentwesen hat sich über die Jahrzehnte gerade wegen der effizienten Durchsetzbarkeit des Unterlassungsanspruchs zu einem der weltweit führenden entwickelt. Davon haben wesentliche Teile unserer Industrie profitiert. Eine Änderung sollte daher mit der gesamten Behutsamkeit erfolgen, die der Bundesgerichtshof in seiner Wärmetauscher-Entscheidung vorgezeichnet hat, und sich hinsichtlich der Mittel zur Abwendung des Unterlassungsanspruchs auf die Gewährung von Aufbrauchsfristen beschränken.
Unsere Einschätzung hat sich gegenüber der letzten Stellungnahme auch im Hinblick auf andere Aspekte der geplanten Gesetzesänderung im Wesentlichen nicht geändert. Zusammenfassend
- regt der Bundesverband Deutscher Patentanwälte an, die angedachte Änderung der Fristenregelung auszuweiten und auch Tage zu erfassen, an denen das deutsche Patent- und Markenamt geschlossen ist (§ 28 (1,2) PatG, § 29 GebrmG, § 65 (1) MarkenG, §18a DPMAV, §3 (3) HalblSchG, § 26 (1) DesignG),
- erachtet der Bundesverband Deutscher Patentanwälte die angedachte Regelung betreffend die Unterlassung der Veröffentlichung von ordnungs- oder sittenwidrigen Inhalten für problematisch hinsichtlich der Rechtssicherheit für die Allgemeinheit, hinsichtlich der Auswirkungen auf das jeweils weitere Verfahren sowie hinsichtlich der Gewaltenteilung (§§ 31 (3b), 32 (2) PatG, 33(3) DesignG und 8(7) MarkenG),
- erachtet der Bundesverband Deutscher Patentanwälte die angedachte Regelung betreffend die Offensichtlichkeitsprüfung für nicht zielführend und hält eine Verkomplizierung des Anmeldeverfahrens für möglich, ohne dass ein nennenswerter Mehrwert geschaffen wird (§ 42 (2) PatG),
- schlägt der Bundesverband Deutscher Patentanwälte eine Klarstellung hinsichtlich der Unzulässigkeit des Einspruchsverfahrens bei Erhebung einer Nichtigkeitsklage vor (§ 81 PatG),
- schlägt der Bundesverband Deutscher Patentanwälte vor, die Frist zur Begründung des Widerspruchs nur bei anhängigen Verletzungsklagen auf zwei Monate zu verkürzen (§§ 82, 83 PatG),
- schlägt der Bundesverband Deutscher Patentanwälte eine konkrete Fristenregelung bei der Eintragung von Rechtsübergängen vor. Dies führt zu einer klaren und vorhersagbaren Vorgehensweise, wodurch die Rechtssicherheit erhöht wird (§ 28 DPMAV).
Diese und weitere Positionen des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte sind in der Stellungnahme im Detail wiedergegeben. Der BDPA möchte an dieser Stelle betonen, dass viele der Vorschläge zu den weniger umstrittenen (und daher derzeit wohl auch weniger beachteten) Aspekten der geplanten Gesetzesänderung auf der langjährigen Erfahrung von Praktikern beruhen und aus deren Sicht zu nicht unerheblichen Vereinfachungen in der Praxis führen würden, ohne auf der anderen Seite mit erkennbaren Nachteilen verbunden zu sein.