Düsseldorf als einer der führenden Gerichtsstandorte für Patentstreitigkeiten in Deutschland bot die Kulisse für das diesjährige Herbstseminar des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte – mit dem entsprechenden Fokus auf das Thema Patentverletzung. Welche Strategien können die Gefahr einer Patentverletzung minimieren? Und wenn es zu einem Verletzungsverfahren kommt, wie können Fallen umgangen werden? Die thematische Bandbreite reichte dabei von dem Problem der Standardisierung aus Sicht des Patentnutzers über Tipps für eine Freedom-to-operate-Beratung bis zur menschlichen Komponente vor Gericht.
Marktmacht durch SEPs
Bei Standardessentiellen Patenten (SEPs) besteht das Kernproblem darin, dass die Technologie genutzt werden muss, um ein Produkt auf den Markt zu bringen. Eine Alternative zum Standard besteht nicht. Andererseits kann mit einem Patent z.B. in der Telekommunikations- oder Autoindustrie die ganze Produktpalette lahmgelegt werden. Für diese Situation sind Lizenzen nach FRAND (Fair, Reasonable, Non Discriminatory terms) – Bedingungen vorgesehen. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Referent Wolrad Prinz zu Waldeck und Pyrmont, Rechtsanwalt bei Freshfields Bruckhaus Deringer, ging der Frage nach, wer eigentlich Anspruch auf eine Lizenz nach FRAND-Bedingungen hat. Muss die Lizenz jedem angeboten werden oder nur, wenn ein Unterlassungsanspruch eingefordert wird? Diese Fragen sind zentraler Streitpunkt bei vielen großen Automotive-Verfahren und wurden beim Herbstseminar entsprechend intensiv diskutiert.
Warum ist das deutsche Verletzungsverfahren so erfolgreich?
Mit den unterschiedlichen Taktiken und Strategien im Verletzungsprozess beschäftigten sich die Rechtsanwälte der gleichnamigen Kanzlei Dr. Peter Kather und Dr. Christof Augenstein. Dabei ging es unter anderem um eine effiziente Verfahrensführung und die richtige Vorbereitung einer Klage. Thematisiert wurden in dem Kontext das „Front-loaded-procedere“ und das Case-Management ebenso wie die Vorteile einer Konzentration auf die Verletzung, die das deutsche Trennungsprinzip ermöglicht.
Und schließlich sollte man die menschliche Komponente im Verfahren nicht unterschätzen, der Meinung ist zumindest der Berliner Rechtsanwalt Prof. Dr. Ulrich Hildebrandt. Er analysierte beim Herbstseminar, welchen Einfluss Aspekte wie Gefühlslage, Wertschätzung und Benehmen auf den Verlauf eines Verfahrens haben.
Höhepunkt des zweiten Tages des Herbstseminars war die Gesprächsrunde zum patentrechtlichen Unterlassungsanspruch und damit die Neuregelung des §139 Patentgesetz. Zunächst leitete Dr. Klaus Grabinski, an der Wärmetauscher-Entscheidung beteiligter Richter am Bundesgerichtshof, zum Thema hin. Moderator Dr. Christian A. Mohr, Leiter der Patentabteilung von Electrolux, diskutierte im Anschluss mit Vertretern aus der Industrie, Ulrike Voß, Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Düsseldorf und dem auch am Wärmetauscher-Fall beteiligten Rechtsanwalt Prof. Dr. Christian Osterrieth, Partner bei HOYNG ROKH MONEGIER, die verschiedenen Aspekte des Themas patentrechtlicher Unterlassungsanspruch.
Letzterer wies als Prozessbeteiligter auf die Besonderheit der Wärmetauscher-Entscheidung hin, da das betroffene Patent damals zeitlich nur noch sehr begrenzte Gültigkeit hatte. Er wünscht sich einen verantwortungsvollen Umgang mit den Neuerungen und der Neufassung des §139, fordert aber auch mitunter ein Umdenken:
„Die Frage, die sich stellt, ist die, ob die Entscheidungsfindung im Patentrecht immer nur die technische Fragestellung sein kann […] oder ob wir im Einzelfall nicht mal darüber hinausgehen und den Sachverhalt öffnen müssen: Wie kam es zu dem Patent, wer macht das Patent geltend, in welcher wirtschaftlichen und sonstigen Situation befindet sich der Beklagte“.
Auch Dr. Rebekka Porath, Global IP Policy Director von Intel, begrüßt die Gesetzesanpassung: „Ich hoffe, dass daraus etwas gemacht wird. Dass das mit Offenheit und Aufgeschlossenheit, aber auch mit der nötigen Differenziertheit angegangen wird.“
Zum Thema Freedom-to-Operate-Recherchen wies Dr. Corinna Sundermann, Senior Vice President, Intellectual Property Management Pharmaceuticals and Devices Division bei Fresenius Kabi Deutschland auf die Besonderheiten in der Pharmabrache hin. Neben der allgemeinen Bedeutung von Freedom-to-operate-Recherchen und Drittinteressen wurden auch die Vor- und Nachteile des in Deutschland bestehenden Trennungsprinzips und das vielfach kritisierte Injunction Gap, also die unterschiedliche Verfahrensdauer bei Verletzungsverfahren vor den Zivilgerichten und den Nichtigkeitsverfahren vor dem Bundespatentgericht, thematisiert. Nicht nur Uwe Schriek, Leiter des GR-Ausschusses des Zentralverbands Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), sieht dringenden Handlungsbedarf zur Überwindung des Injunction Gaps:
„Ich war immer stolz auf das deutsche System, weil wir da eine hohe technische Expertise haben. […] Es wäre schade, wenn man das aufgeben müsste, um dann zu einem geschmeidigen System zu kommen, das es erlaubt, alle Aspekte rechtzeitig zu berücksichtigen.“
Grundsätzlich waren sich alle Teilnehmer des Round Table in Hinblick auf die Änderungen beim patentrechtlichen Unterlassungsanspruch einig, dass es jetzt maßgeblich darauf ankommt, wie die Gerichte die Neuerungen umsetzen werden.