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Rechtsanwalt in Robe – Patentanwalt im Anzug: Misst das EPG mit zweierlei Maß?

Patentanwaltsroben in Deutschland
© Bundesverband Deutscher Patentanwälte

Am 4. April 2023 wurde vom Präsidium des Einheitlichen Patentgerichts ein Beschluss über die Dienstkleidung im Einheitlichen Patentgericht angenommen. Dieser sieht vor, dass Richter in den Sitzungen, die für die mündliche Verhandlung und die Verkündung von Entscheidungen bestimmt sind, eine für sie entworfene Robe tragen. Rechtsanwälte bzw. Rechtsanwältinnen tragen in diesen Sitzungen die amtliche Kleidung, die ihm/ihr bei den Gerichten seines/ihres Vertragsstaates vorgeschrieben ist, also in der Regel auch eine Robe. Das Tragen einer Robe versinnbildlicht die besondere Stellung des Rechtsanwaltes als Organ der Rechtspflege vor Gericht – was auch für Richterinnen und Richter und ihre Roben zutrifft. Zweck ist also, dass Rechtsanwälte durch das Tragen einer Amtstracht bzw. der Robe aus dem Kreis der übrigen Teilnehmer an einer Verhandlung hervorgehoben werden und ihre Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege sichtbar gemacht wird.

Unabhängige Organe sind auch europäische Patentanwälte und Patentanwältinnen, die die erforderliche Qualifikation haben, als zugelassene Vertreter vor dem EPG Patentstreitverfahren führen. Gemäß der vom Präsidium verabschiedeten Kleiderordnung tragen europäische Patentanwälte jedoch die vom Europäischen Patentamt vorgeschriebene Kleidung, also Geschäftskleidung. In den Sitzungen, die für die mündliche Verhandlung und die Verkündung von Entscheidungen vorgesehen sind, tragen die Patentanwälte gemäß Artikel 48 Absatz 4 des Übereinkommens, als Vertreter der Parteien ebenfalls nur Geschäftskleidung, nicht die bei Gericht ihres Vertragsstaates vorgeschriebene amtliche Kleidung – im Falle Deutschlands wäre dies die für Patentanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege vorgesehene Robe.

Was sagt die patentanwaltliche Berufsordnung?

Die Berufsordnung für die deutschen Patentanwälte und Patentanwältinnen verdeutlicht deren Stellung als unabhängige Organe der Rechtspflege durch eine Pflicht zum Tragen einer Robe vor Gericht.

12 Absatz 3 der Berufsordnung der Patentanwältinnen und Patentanwälte sagt hinsichtlich Berufspflichten gegenüber Gerichten und Behörden:

Der Patentanwalt ist verpflichtet, vor Gericht als Berufstracht die Robe zu tragen, soweit dem nicht gesetzliche Vorschriften oder eine andere Übung entgegenstehen.“

Wie sieht es am Bundespatentgericht aus?

Auch gemäß der Anordnung des Bundespräsidenten über die Amtstracht beim Bundespatentgericht tragen Patentanwälte, ebenso wie Rechtsanwälte an den anderen ordentlichen Gerichten, am Bundespatentgericht Robe:

Patentanwälte dürfen als Bevollmächtigte der Parteien eine Amtstracht tragen, die aus einer Amtsrobe und einem Barett mit stahlblauem Besatz aus stumpfer Seide besteht.                              

Rechtsanwälte dürfen als Bevollmächtigte der Parteien, die für Patentanwälte oder die für sie bei den anderen ordentlichen Gerichten vorgeschriebene Amtstracht tragen.“

In Deutschland sind Patentanwälte und Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege hinsichtlich ihrer Amtstracht vor den Gerichten, vor denen sie vertretungsbefugt sind, folglich gleichgestellt. Die Kleiderordnung des EPG steht daher mit den Berufspflichten eines Patentanwalts gemäß §12 Absatz 3 der Berufsordnung in Konflikt. Eine Gleichstellung hinsichtlich der Amtstracht wäre daher vor dem EPG angebracht.

Vor den Ämtern sind Patentanwälte und Patentanwältinnen bzw. europäische Patentanwälte und Patentanwältinnen und Rechtsanwälte bzw. Rechtsanwältinnen gleichgestellt. Das Europäische Patentamt sieht eine gleiche Amtstracht beider Berufsgruppen vor:  Sowohl Patentanwälte als auch Rechtsanwälte tragen keine Roben, sondern Geschäftskleidung.

Warum also die Ungleichbehandlung vor dem Einheitlichen Patentgericht?

Die Folgen der unterschiedlichen Amtskleidung von Rechtsanwälten und Patentanwälten vor dem EPG sind weitaus gravierender, als es vielleicht auf den ersten Blick scheint.

Es besteht die Gefahr, dass der Patentanwalt bzw. die Patentanwältin, obwohl als unabhängiges Organ der Rechtspflege vor dem Einheitlichen Patentgericht dem Rechtsanwalt gleichgestellt, vor dem Gericht als dem Rechtsanwalt nachgeordnet wahrgenommen wird, da er/sie gemäß Kleiderordnung nicht Robe, sondern Geschäftskleidung trägt. In Bezug auf die Kleidung sind Patentanwälte folglich dem Sachverständigen oder Kläger/Beklagten vor Gericht gleichgestellt, nicht dem Rechtsanwalt und dem Richter, die qua Robe als unabhängige Organe der Rechtspflege zu erkennen sind – nach Auffassung des Bundesverbandes Deutscher Patentanwälte eine klare Benachteiligung.

Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte dringt daher darauf, dass sich vor dem Einheitlichen Patentgericht die rechtliche Gleichstellung von Patentanwälten und Rechtsanwälten als unabhängige Organe der Rechtspflege mit vollumfänglicher Postulationsfähigkeit auch in der Kleiderordnung widerspiegelt. Die Ungleichbehandlung, dass Rechtsanwälte ihre Robe tragen sollen, während Patentanwälte ihre Robe nicht tragen dürfen, muss geändert werden. Denn die Kleiderordnung in ihrer jetzigen Form symbolisiert, dass Patentanwälte den Rechtsanwälten nachgeordnet seien und eher auf Stufe der Sachverständigen oder Mandanten stehen – was gemäß dem Übereinkommen hinsichtlich der Vertretungsbefugnis unzutreffend ist. Es wäre also nur folgerichtig, dass Rechtsanwälte und Patentanwälte vor dem EPG entsprechend ihrer Stellung und ihrer Kompetenzen gleichwertige Amtskleidung tragen.