Künstliche Intelligenz gehört zu den Schlüsseltechnologien der Digitalisierung, ihre Chancen und Risiken werden vielschichtig diskutiert – das Thema ist allgegenwärtig. Die Bundesregierung hat eine „Strategie Künstliche Intelligenz“ verabschiedet, unter Federführung der beteiligten Ministerien werden Innovationswettbewerbe und Expertenanhörungen durchgeführt, die Autoindustrie experimentiert mit Autonomen Fahren und die Öffentlichkeit diskutiert fiktive Szenarien autonomer Technik. Auch das Wissenschaftsjahr 2019 steht im Zeichen der Künstlichen Intelligenz. Muten die KI-Visionen zuweilen auch futuristisch an, so hat die Künstliche Intelligenz doch längst Einzug in den Alltag gehalten. Zwar sind wir noch weit entfernt vom gänzlich autonomen Roboter oder autonom fahrenden Autos, aber in der meisten Software steckt bereits heute Künstliche Intelligenz.
Grundsätzlich wird zwischen „schwacher“ und „starker“ Künstlicher Intelligenz unterschieden. Erstere beschäftigt sich mir konkreten Anwendungsproblemen auf Basis der Methoden aus Mathematik und Informatik, während die „starke“ KI eine universelle Intelligenz beschreibt, der menschlichen vergleichbar oder sogar überlegen. Tatsächlich gehört die heutige KI ausnahmslos zur „schwachen“ Klassifizierung. Bisher kann die Technologie nur fest umrissene Vorgaben umsetzen. Maschinen werden noch stärker programmiert als trainiert.
Doch Künstliche Intelligenz ist auf Erfolgskurs. Software-basierte Erfindungen im Allgemeinen und Erfindungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz im Besonderen sind für den starken Anstieg von Patentanmeldungen in der Elektrotechnik beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) verantwortlich. Um ganze 26,7 Prozent nahmen Patentanmeldungen in dem Technologiefeld „Computertechnik“ 2018 zu.
Anwendungsgebiete Künstlicher Intelligenz
Das Maschinelle Lernen ist die dominierende KI-Technik, was sich auch bei den Patentanmeldungen widerspiegelt. Einen Schwerpunkt bilden hierbei die neuronalen Netze, die unter anderem bei Übersetzungen oder Sprachassistenten zum Einsatz kommen. Deep Learning ist ein Teilbereich des maschinellen Lernens und nutzt neuronale Netze sowie große Datenmengen. Die Lernmethoden richten sich nach der Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Deep Learning ist die am schnellsten wachsende KI-Technik.
Laut einer Studie der WIPO (World Intellectual Property Organization) ist Maschinelles Sehen inklusive Bilderkennung bei Erfindern und Patentanwälten die beliebteste KI-Anwendung und kommt beispielsweise in der Robotik und bei automatisierten Autos zum Einsatz. In der Industrie gehört der Transportsektor mit autonomen Fahrzeugen zu dem Wachstumssektor im KI-Bereich. Die WIPO verzeichnete 2016 allein bei Patentanmeldungen in diesem Bereich gegenüber 2013 einen Anstieg von 134 Prozent.
Das Autonome Fahren ist eines der am meisten beachteten Anwendungsgebiete von Künstlicher Intelligenz und wird nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in Hinblick auf rechtliche und ethische Fragen viel diskutiert.
Aber auch medizinische Anwendungsgebiete der Künstlichen Intelligenz gewinnen zunehmend an Bedeutung, wie beispielsweise die Roboterchirurgie oder die Personalisierung von Medikamenten.
Vor dem Hintergrund der zunehmenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Relevanz von Künstlicher Intelligenz gilt es jetzt, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Die KI-Anwendungsgebiete sind vielfältig, obwohl die Technologie noch in der Anfangsphase steckt. Vor diesem Hintergrund ist auch die Politik gefragt, denn sie unterstützt nicht nur Wissenschaft und Forschung, sondern muss den gesellschaftlichen, ethischen und rechtlichen Rahmen steuern.
Strategie Künstliche Intelligenz
Ende 2018 hat die Bundesregierung ihre Strategie zur Künstlichen Intelligenz veröffentlicht, d.h. ihre Pläne in Bezug auf die „schwache KI“ bekannt gegeben. Der Bundesverband Deutscher Patentanwälte hatte an der von den Bundesministerien für Arbeit und Soziales, für Wirtschaft und Energie sowie für Bildung und Forschung initiierten Strategie-Konsultationsrunde mit Stellungnahmen zu verschiedenen Handlungsfeldern, von deutscher und europäischer Forschung über den Transfer in die Wirtschaft bis hin zur Ordnungsrahmen und Standards teilgenommen. Ziel der Strategie ist es, sowohl Forschung und Entwicklung als auch Anwendungen von KI zu stärken.
Die KI-Forschung ist in Deutschland zwar ausgezeichnet, doch ist sie auch in Zukunft konkurrenzfähig? Laut der WIPO-Studie machen derzeit Organisationen aus China drei der vier akademischen Akteure unter den 30 größten Patentanmeldern aus. Die Forschung hierzulande findet noch zu selten den Weg zur Umsetzung durch deutsche Unternehmen.
Um international konkurrenzfähig zu bleiben, sind kooperative Strukturen im Bereich der KI-Forschung gemeinsam mit anderen EU-Partnern wichtig. In einem ersten Schritt werden dazu Deutschland und Frankreich den Aufbau eines deutsch-französischen Forschungs- und Innovationsnetzwerkes vorantreiben. Schwerpunkte der Zusammenarbeit sollen die Grundlagenforschung, der Transfer von Forschungsergebnissen in die Wirtschaft, die Konzentration auf Innovationen sowie die Fortentwicklung regulatorischer Ansätze und ethischer Standards sein.
Für einen erfolgreichen Transfer der Forschungsergebnisse in die Wirtschaft hält der Bundesverband Deutscher Patentanwälte unter anderem den Aufbau von Test- und Simulationsumgebungen für wesentlich, damit erkennbar wird, wo Bedarf an regulierenden Maßnahmen besteht. Damit kann frühzeitig erkannt werden, an welchen Stellen Probleme auftreten könnten – vor einem umfassenden Einsatz der KI. Die Bundesregierung will die Forschung zu Verfahren zur Kontrolle und Nachvollziehbarkeit algorithmischer Prognose- und Entscheidungssysteme fördern. Denn sie bezeichnet Erklärbarkeit und Transparenz als die Schlüssel für das Vertrauen in die KI. Für eine Vielzahl von Anwendungen der KI stelle sich die Technologie jedoch noch als sogenannte „black box“ dar: Es sei für Nutzer und Betroffene eines KI-Systems oft weder nachvollziehbar noch transparent, wie das System zu Entscheidungen oder Ergebnissen gekommen ist. Dies gelte bereits für die algorithmenbasierten Systeme zur Entscheidungsvorbereitung.
Gerade für die zukünftigen autonom arbeitenden und selbst entscheidenden Systeme ist die Nachvollziehbarkeit nicht nur in Hinblick auf ihre Akzeptanz relevant, sondern auch, damit komplexe KI-Systeme den rechtlichen Anforderungen genügen.
Neben der Förderung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen gilt es auch, die technischen Voraussetzungen für einen Transfer in die Wirtschaft zu erleichtern. Komplexe KI-Anwendungen im Bereich Maschinelles Lernen benötigen meist kostenintensive und umfangreiche Hardwareumgebungen mit großen Rechnerkapazitäten. Voraussetzungen, die für kleine und mittle Unternehmen (KMU) finanziell eine Herausforderung sind. Die Schaffung von Zugangsmöglichkeiten für den Mittelstand zu KI-Technologien, Rechnerkapazitäten und Cloud-Plattformen sowie der Aufbau von Plattformen zum Datenaustausch könnten hier Abhilfe schaffen, um nicht nur den Großunternehmen, sondern auch den KMUs und Start-Ups den Weg zu den KI-Technologien zu ebnen.
Gerade für Start-ups ist es wichtig, eine Möglichkeit zu haben, auch ein Teilsystem der KI in ein Gesamtsystem einbinden zu können. Und da ist die Definition von Standards für den Austausch von Daten sowie auch für den maschinellen Zugang zu Daten in Zwischenschritten von KI-Systemen gefragt.
Standards für Transparenz und Rechtssicherheit
Gerade die Definition von Standards hält der BDPA auch für die Interoperabilität von KI-Teilsystemen als Bestandteil eines KI- Verbundsystems für wesentlich. Denn die Definition von Standards ist beispielsweise zur Datenübertragung von einem KI-System zu einem anderen KI-System, die als „Systemverbund“ zusammenwirken, relevant. Für die Nachvollziehbarkeit der Funktionen und Wirkungsweise einzelner KI-Systeme ist das wichtig. Im Gesamtgebiet der KI definierte Standards und definierte Schnittstellen der einzelnen Systeme zu haben, erleichtert nicht nur die Kontrolle und den Nachweis von Sicherheit von Technologien, sondern auch die Rechtssicherheit. Und die Definition von Standards ist Voraussetzung für die Vernetzung und Kooperation von Unternehmen – auch europaweit.
Die Bundesregierung will in einem gemeinsamen Projekt mit dem Deutschen Institut für Normung (DIN) eine Roadmap zu Normen und Standards im Bereich KI entwickeln, die auch eine Überprüfung bestehender Standards und Normen auf ihre „KI-Tauglichkeit“ beinhalten soll.
Auch sollen Anreize und Rahmenbedingungen für das freiwillige, datenschutzkonforme Teilen von Daten verbessert sowie der Aufbau einer vertrauenswürdigen Daten- und Analyseinfrastruktur vorangetrieben werden.
In diesem Zusammenhang hält der Bundesverband Deutscher Patentanwälte eine Anpassung des urheberrechtlichen Rechtsrahmens für erforderlich, weil geklärt werden muss, ob ein allgemeines urheberrechtliches Verwertungsrecht an der Mitnutzung urheberrechtlich geschützter Werke als Wissensbasis für das Training KI-basierter Systeme besteht oder ob es hierzu separater Regelungen im Einzelfall bedarf. Die Bundesregierung hat in ihrem Strategiepapier angekündigt, den urheberrechtlichen Rechtsrahmen anzupassen, um Text- und Data-Mining (TDM), also automatisierte Verfahren, die mit Hilfe von Algorithmen Informationen und Zusammenhänge in Texten und Datensätzen ermitteln können, alsGrundlage für maschinelles Lernen für kommerzielle, wie nicht-kommerzielle Zwecke zu erleichtern: „Gesetzliche Erlaubnisse, verbunden mit Vergütungsansprüchen, schaffen dort Abhilfe und einen fairen Interessenausgleich, wo Lizenzmodelle nicht zu befriedigenden Lösungen führen. Im Übrigen sollte gelten: „The Right to read is the right to mine.“
Darüber hinaus bedarf es natürlich auch des Schutzes der Technologien und Verfahrensweisen, um technische Neuerungen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz wirtschaftlich erfolgreich umsetzen zu können.
Künstliche Intelligenz und Patente
Patentanmeldungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz steigen weltweit stark an. Auch das Deutsche Patent- und Markenamt verzeichnet einen starken Zuwachs. Insgesamt habe die Zahl der Patentanmeldungen mit Wirkung für Deutschland in diesen Schlüsseltechnologien in den vergangenen zehn Jahren um 80 Prozent zugenommen. Hervorzuheben seien hier vor allem Anwendungen zum automatisierten Fahren. In der Verkehrs- und Fahrzeugtechnik hätten sich die Anmeldungen im genannten Zeitraum verdreifacht. Eine ähnliche Dynamik konstatiert das DPMA in der Medizintechnik (plus 131 Prozent). In der Robotik und in der allgemeinen Steuer- und Regelungstechnik seien die Zuwächse sogar noch größer, auch wenn die absoluten Anmeldezahlen deutlich geringer ausfielen. Die meisten Patentanmeldungen gab es 2018 bei der für Künstliche Intelligenz notwendigen Computertechnik.
Dabei stehen Entwicklung und wirtschaftliche Umsetzung von KI-Technologien noch relativ am Anfang, verglichen mit dem, was Wissenschaftler, IT-spezialisten und Unternehmen in Zukunft erwarten. Ein Beispiel: Der Weg zum Autonomen Fahren wird in fünf Levels unterteilt, vom assistierten über das teil-, hoch- und vollautomatisierte bis hin zum autonomen Fahren. Derzeitiger Stand der Technik ist das hochautomatisierte Fahren mit konkreten Anwendungen. Gänzlich selbständig fahrende Autos im Straßenverkehr sind noch Zukunftsszenario. Bis zur „starken“ Künstlichen Intelligenz, also der dem Menschen vergleichbaren allumfassenden Intelligenz, ist es noch ein weiter Weg.
Die Methoden der Künstlichen Intelligenz basieren auf Mathematik und Informatik, die in Software umgesetzt sind, also computerimplementierte Verfahren. Nur computerimplementierte Erfindungen mit einem technischen Charakter unterliegen dem Patentrecht, Software allein lässt sich nicht mit einem Patent schützen, sondern mit dem Urheberrecht. Erfindungen im Bereich von KI-Anwendungen sind also den Richtlinien für computerimplementierte Erfindungen vergleichbar.
Wie sieht es aber aus, wenn zukünftig der Bereich der „schwachen“ Künstlichen Intelligenz verlassen wird? Lassen sich von KI generierte Erfindungen schützen? Wo liegen die Grenzen des gängigen rechtlichen Rahmens?
Derzeit können nur natürliche Personen als Erfinder eingetragen werden, KI ist kein Rechtssubjekt. Von Künstlicher Intelligenz generierte Erfindungen bräuchten daher einen Nutzer, der sie als Werkzeug einsetzt, die Ergebnisse als Erfindung erkennt, ihre gewerbliche Nutzbarkeit feststellt und ihren Schutz beantragt.
Sollte Künstliche Intelligenz in der Zukunft das technische Level erreicht haben, dass sie nicht mehr nur für fest umrissene Anwendungen eingesetzt wird, sondern als „starke“ KI eine eigene umfassende Intelligenz entwickelt haben sollte, dann stellen sich grundlegende juristische und ethische Fragen, wie die der Rechtsfähigkeit von KI und deren Stellenwert in der Gesellschaft. Aber das gehört noch in den Bereich der Imagination. Fragen der Transparenz und Nachvollziehbarkeit sowie der gesellschaftlichen Akzeptanz von Künstlicher Intelligenz sollten dessen ungeachtet die technologischen Entwicklungen maßgeblich begleiten – damit später nicht die Black Box KI vor Gericht steht.
Stand: Oktober 2019